Geschichte

Ideen, Pläne, Hirngespinste

Es gibt wohl kaum eine Gegend in der gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts so intensiv über Eisenbahnprojekte diskutiert wurde. Diese Pläne waren teilweise fachmännisch fundiert, teilweise wirkliche Hirngespinste, wie z.B. der Plan eine normalspurige Flügelbahn von Fürstenfeld oder Feldbach über Ilz durch das Feistritztal nach Ratten zu bauen. Später gab es das Projekt einer Schmalspurbahn Weiz – Anger – Birkfeld – Ratten – Rettenegg – Steinhaus am Semmering mit einer Abzweigung Anger – Stubenberg – Kaindorf – Pöllau. Dameben existierte auch die Idee, die meterspurige elektrische Kleinbahn Graz – Maria Trost über Sankt Radegund – Weiz – Anger bis Hartberg zu führen.

Bis zum Stadium einer Einreichung bei einer Eisenbahnbehörde kam aber nur das Projekt des Grazer Technikers Lichtenfels (am 11.10.1885), das eine meterspurige Lokalbahn Weiz – Rettenegg als Anschluß an das Projekt Gleisdorf – Weiz vorsah.

Realisiert wurde aber zunächst nur der 15km lange Abschnitt Gleisdorf – Weiz in Normalspur.

1901 beschloß die private Lokalbahn Gleisdorf – Weiz, die Strecke über Anger nach Pöllau zu verlängern (Normalspur). Es gab auch Interessenten für einen Nebenflügel von Anger nach Birkfeld. Aber schnell stellte sich heraus, daß auf Grund der Geländeverhältnisse, der Aufwand für eine Normalspurige Strecke weit über dem vertretbarem Maß für eine Lokalbahn liegen würde, und so wurde dieser Plan 1904 wieder zurückgezogen.

Weiz – Birkfeld

Es blieb also den Verantwortlichen nur übrig, die Schmalspurpläne wieder aus der Schublade zu holen. Als Spurweite kam schließlich nur die 760mm-Spur in Frage, um im Falle eines möglichen Kriegeinsatzes in Bosnien Fahrzeuge rekrutierenn zu können. Den Flügel Anger – Pöllau – Harberg ließ man fallen und nahm erst mal die Strecke Weiz – Birkfeld in Angriff. (Birkfeld – Ratten, eventuell Rettenegg sollten später folgen.)

Die Konzessionsbewerber reichten ihr Ansuchen am 12.11.1907 beim Eisenbahnministerium ein und bekamen am 15.7.1909 den Baukonsens, dem unverzüglich die Aufnahme der Arbeiten folgte. Am 15.9.1910 erfolgte schließlich die entgültige Konzessionsverleihung mit der Zusage eines Baukostenzuschusses von 600.000 Kronen. Da die Bahn aber davon nie einen Heller bekam, ist die Feistritztalbahn vermutlich die einzige Österreichische Lokalbahn, die gänzlich ohne staatlichen Zuschuß errichtet wurde.

Am 14.12.1911 war schließlich die Feierliche Eröffnung, und am Tag darauf begann der fahrplanmäßige Betrieb. Den Betrieb ließ die Lokalbahn-AG Weiz – Birkfeld durch die kkStB führen.

Birkfeld – Ratten

Der Weiterbau der Strecke nach Rattten begann kurioserweise mitten im ersten Weltkrieg. Als 1915 Italien den Mittelmächten den Krieg erklärte, wurden die italienischen Holzfirmen Ermolli in Ratten und Lazaris in Rettenegg unter militärische Verwaltung gestellt. Da die Militärbauleitung sich aber wegen der unzulänglichen Verkehrswege großen Schwierigkeiten gegenübersah, die dort lagernden Holzmengen abzutransportieren, beschloß man, in Zuammenarbeit mit den Zivilbehörden, die Bahn bis Rettenegg zu verlängern. Schnell war man sich einig und bereits am 19.12.1916 wurde ein Vertrag mit der Heeresleitung abgeschlossen, der die Modalitäten des Bauvorhabens regelte.

Als jedoch im Frühjahr 1917 die Bauarbeiten begannen, zeichnete sich ein Debakel ab. Statt der zugesagten 1000 Bauarbeiter (Kriegsgefangene) konnte das Militär gerade mal 300 bereitstellen, deren Gesundheitszustand so schlecht war, daß sie zu schweren Arbeiten kaum fähig waren. Von einer Einhaltung des Bautermins konnte also keine Rede mehr sein, und so geschah es, daß im November 1918, als sich Altösterreich auflöste, keiner der vier Bauabschnitte fertig war. Anbetracht der schlechten wirtschaftlichen Lage schlugen zunächst alle Versuche, die Strecke weiterzubauen fehl.

1920 trat die neugegründete Feistritztaler Bergbau- und Industrie-AG auf den Plan. Zur Erschließung der Braunkohlevorkommen in Ratten und St. Kathrein brauchten sie die Bahn und kauften den Konzessionären die halbfertige Bahn nebst den Baumaterialien für fünf Millionen Kronen ab. Sie verpflichtete sich, die Bahn bis Rettenegg als Industriebahn sofort zu erstellen, und binnen zehn Jahren auch einen Personenverkehr einzurichten. Der Bau (allerdings nur bis Ratten, wo die Gesellschaft ihre Gruben besaß) ging dann schnell voran, und bereits am 11.5.1922 wurde beim Verkehrsministerium um die Betriebsbewilligung angesucht. Dieser Antrag wurde jedoch wegen der wenig sorgfältigen Ausführung der Strecke und dem desolaten Zustand des eilends zusammengekauften Rollmaterials abgelehnt.

Dies hinderte die Gesellschaft aber nicht, illegalerweise den Güterverkehr aufzunehmen. 1923 stellte die Gesellschaft den Antrag, sie von dem für sie uninteressanten Weiterbau der Strecke nach Rettenegg zu entbinden. Schon bald entwickelte sich auf der eh schon illegalen Strecke ein noch illegalerer Personenverkehr, war die Bahn doch die einzige Möglichkeit für die Bergleute, die Gruben zu erreichen. Dies führte 1925 auch zu heftigen Kontroversen zwischen dem Ministerium, das mit einer Betriebsstillegung drohte und streikenden Bergleuten, die um die Fahrmöglichkeit zu ihrer Arbeitsstätte bangten.

Ein weiteres Problem dieser Zeit bestand darin, dass die Fahrzeuge der Industriebahn nicht auf die Strecke der Lokalbahn Weiz – Birkfeld übergehen durften und somit die Kohle in Birkfeld umgeladen werden musste. Weder passten die Kupplungen zusammen, noch besaßen die Wagen der Industriebahn die erforderlichen Vakuumbremsen. Es war also dringend geboten, die beiden Strecken technisch und organisatorisch zusammenfassen. Am 21.2.1921 ging die Strecke Birkfeld – Ratten (Rückwirkend zum 1. Jänner) an die Lokalbahn-AG Weiz – Birkfeld über.

An einen Weiterbau der Strecke nach Rettenegg konnte auch die neue Eigentümerin nicht denken, galt es doch, die Strecke zu sanieren und die Vorraussetzung für eine Konzessionierung als öffentliche Bahnstrecke zu schaffen. Am 29.5.1930 fand schließlich die feierliche Eröffnung des Personenverkehrs statt, mit einer für die Abgeschiedenheit des Tales einmaligen Politprominenz: Mit dem Bundespräsidenten, dem Handelminister und dem Nationalratspräsidenten war wirklich die allererste Garnitur des Staates erschienen.

Die Strecke hatte nun die maximale Länge ihrer Geschichte, die Weiterführung nach Rettenegg wurde nie realisiert.

Nach dem zweiten Weltkrieg

1942 ging die bis dato private Bahn in den Besitz des Landes Steiermark über. Als 1960 die Kohlegrube in Ratten geschlossen wurde, war dies ein schwerer Schlag für die Bahn. Schließlich war der Güterverkehr die Haupteinnahmequelle. Auch der Personenverkehr ging um diese Zeit wegen der Konkurrenz durch das Auto stark zurück, was zu dieser Zeit zu einer ratenweise Einstellung führte. Erschwerend für die Bahn war, dass, geologisch bedingt, die Strecke meist weitab von den örtlichen Ansiedlungen liegt, und nur der Bus die Möglichkeit hat, die Ortszentren direkt anzufahren. Auch die Errichtung eines modernen Portalkranes in Ratten und die Anschaffung moderner Dieselloks konnten die Entwicklung nicht aufhalten.

Der Nostalgiebetrieb

Bereits 1971 wurde der Nostalgiebetrieb, damals noch als „Bummelzüge“ bezeichnet, eingerichtet, die auch für eine Rückkehr der Dampfloks sorgten und einen unerwarteten Aufschwung hatten. Regelmäßige Nostalgiezüge zwischen Weiz und Birkfeld, oder sogar bis nach Ratten, begeisterten in den siebzigern viele Gäste und erschlossen ihr ein völlig neues Verkehrsaufkommen. Gemäß dem Motto, der Weg ist das Ziel, fanden und finden immer mehr Gäste den Weg ins Feistritztal, nur um die bezaubernde Zeitreise in die Vergangenheit in rumpelnden Waggons auf harten Holzbänken zu erleben.

Doch der Erfolg der Nostalgiezüge kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der wirtschaftliche Erfolg der Bahn auch vom Güterverkehr abhängt. Und da dieser bis auf eine Ausnahme stetig zurückging, wurde zunächst (so in den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts) der Betrieb nach Ratten eingestellt und die Strecke schließlich abgebaut. Die Trasse ist heute ein Radweg.

In den nächsten Jahren zog sich die StLB erst bis Anger und dann schließlich bis Oberfeistritz zurück, wo der einzige noch verbliebene Güterverkehrskunde, das Talkumwerk ist. Kenner der Bahn werden sich sicher noch mit Schrecken an das Jahr 1995 zurückerinnern, als man versuchte auch die Bummelzüge auf das Reststück bis Anger herunterzufahren, ein Projekt, dass das sichere Aus für sie bedeutet hätte.

Aber glücklicherweise setzte sich, sprichwörtlich fünf nach zwölf, aufgrund der damit massiv zurückgehenden Fahrgastzahlen die Einsicht durch, dass die Bahn ein wesentliches Zugpferd für den Tourismus ist. Und nach einem erstmal Probeweisen und dann wieder dauerhaften Nostalgiebetrieb bis Birkfeld hat es die Bahn geschafft zu überleben. Nachdem sich die StLB zurückgezogen hatte, gründete sich unter Federführung der örtlichen Touristikverbände die Feistritztalbahn-Betriebs-GmbH, die den Bummelzugverkehr betreibt. Dank dem unermüdlichen Einsatz ihrer Freunde schafft die Bahn inzwischen so etwas wie eine schwarze Null in den Bilanzen und ist eine aus dem örtlichen Tourismus eigentlich nicht mehr wegzudenkende Attraktion.

Das 100-Jährige Jubiläum im Jahre 1011 bei dem mindestens ganauso viel Politprominenz erschienen ist wie seinerzeit bei der Gründung der Bahn, zeigte ganz deutlich, dass unsere Bahn, ehemals als „Spielerei einiger Eisenbahnverrückten“ belächelt, inzwischen als Leitbetrieb für den Tourismus der Region immens wichtig ist. Dank steigender Fahrgastzahlen und einer erfreulicher Auslastung unserer Züge können wir unsere laufenden Kosten finanzieren, und dazu kommt noch, dass inzwischen doch der eine oder andere Euro für größere Ausgaben, wie z.B. die Generalüberholung unserer Kh 101 von oben her zu uns fließt.

So können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen und uns noch auf viele Jahre zusammen mit unseren Gästen an unserer geliebeten Feistritztalbahn erfreuen!